Das Schloss Worb ist sowohl unter die bedeutenderen mittelalterlichen Burgen des Kantons Bern als auch unter die von Patriziern in der Umgebung der Stadt erstellten oder ausgebauten Landsitze einzureihen. In Anlehnung an die französische Sprache werden die Landsitze auch « Campagnes » geheissen. Sie stellten vor allem im Sommer aufgesuchte, beliebte « Zweitwohnstätten » dar. Den Winter verbrachten die Eigentümer mit ihren Familien in der Stadt, wo oft auch Amtspflichten sie festhielten. Mochte ein Gut mit seinem Land und Bauerngehöft von alters her führenden Städtern gehört haben, so entstand das ländliche Patrizierwohnhaus, die « Campagne », in der Regel erst im 17. und 18. Jahrhundert. Noch heute gereichen diese Bauten dem Gebiet rings um Bern und sogar einzelnen Vororten und Aussenquartieren der Stadt zur Zierde.
Im Gegensatz zu den « Campagnes » bildeten die Schlösser in der Regel Zentren kleinerer oder grösserer, auf das Mittelalter zurückzuführender Grundherrschaften. Aus Adelsbesitz hervorgegangen, wurden sie freilich oft vom bernischen Staatswesen übernommen und erhielten die Aufgabe zugewiesen, einer Landvogtei als Mittelpunkt zu dienen. Andere Schlösser, unter ihnen Worb, wurde Sitze privater « twingherrschaften » und gehörten vorerst den mit Bern verburgrechteten Vertretern des niederen Adels, mehr und mehr aber bernischen Patriziergeschlechtern. Von diesen ist ausführlicher in der der Burg Wil gewidmeten Seite die Rede. Da sich der Wunsch nach mehr Komfort geltend machte und manche Umbauten vorgenommen wurden, glich sich das Leben auf den Schlössern in der späteren Zeit jenem auf den « Campagnes » an. Die Besitzer wohnten mit ihren Familien zwar während eines Teils des Jahres auf den Landgütern und sahen in den Twingherrschaften zum Rechten, doch verfügten auch sie oft über Stadtwohnungen, die sie im Winter aufsuchten. Damit darf der Begriff « Landsitz » wohl auf für manche Wohn- und Herrschaftsschlösser angewandt werden.
Das « Alte Schloss » von Worb stellt einen Sonderfall dar, weil bei Ihm, wie kaum bei einem anderen privaten bernischen Wohnsitz, grosse und wichtige Bauten des Mittelalters noch heute vom alten Zentrum einer Grundherrschaft zeugen. Bergfried und Palas gehen in ihren Anfängen vermutlich ins 12. oder 13. Jahrhundert zurück. Genaueren Aufschluss vermöchten allerdings nur sorgfältige architektonische und vor allem auch archäologische Untersuchungen zu erbringen. Nach dem Äusseren des gewaltigen, mit drei Meter starken Aussenmauern versehenen Palas und des an ihn angelehnten quadratischen Hauptturms zu schliessen, wäre denkbar, dass Bauteile noch aus der Zähringerzeit in ihnen verborgen sind.
Dass die Zähringer hier geboten, steht einwandfrei fest. 1146 hielt Herzog Konrad II im Beisein der Freiherren von Worb auf dem Schloss Gericht. Die Burg war auf einem künstlich leicht erhöhten Molassesporn errichtet worden, um den sich ein doppelter Graben zog. Der Grundriss entspricht einem fast gleichschenkligen Dreieck. Ist es vermessen, angesichts der Regelmässigkeit, die sie auch in Burghof äussert, an zähringischen Einfluss zu denken, trotz der aus Gründen der Topographie gegenüber der Anlage einer Burg angebrachten Vorsicht?
Als Lehensmannen der Grafen von Kyburg hielten bis ins 14. Jahrhundert die Edlen von Kien die Herrschaft über Worb inne. Sie verfügten auch im Oberland, namentlich im Frutigtal, über Besitz. Der Name des Kientals geht auf sie zurück. Einem der Letzten des Geschlechts, Johann, verdankt man eine kulturtechnische Pioniertat. Er kaufte den Neu-Kyburgern einen Anteil am Wasser des Bigelbachs ab und leitete es vom Enggisteinmosss in einem Kanal zum Schloss Worb, wo es Mühlen antrieb. Statt der Emme wurde also dieses Gewässer über die Worblen direkt der Aare zugeführt. Es trug zum Aufschwung des Worber Gewerbes wesentlich bei.
Nächster Markstein in der Geschichte der Burg und der Herrschaft war der Übergang an die Familie der diesbach. Niklaus von Diesbach, (1430-1475) ein bedeutender Vertreter dieses Geschlechts, wurde berühmt durch sein Wirken als bernischer Staatsmann, als Befürworter eines Vorgehens gegen den Burgunderherzog Karl den Kühnen und im Zusammenhang damit als Gegenspieler Adrian von Bubenbergs vor dessen Einsatz in Murten. Er war ferner 1470/71 massgeblich in den so genannten Twingherrenstreit verwickelt, eine Auseinandersetzung zwischen Patriziern und bürgerlichen Handwerkern, die in der Stadt vorübergehend das Regiment führten und in die rechte der Grundherren auf dem Land einzugreifen suchten.
Die mittelalterlichen Teile des Schlosses Worb gewannen vermutlich in dieser Epoche annähernd ihr gegenwärtiges Aussehen. Der Bergfried wurde, falls dies nicht schon einige Jahrzehnte zuvor geschehen war, zur heutigen Höhe geführt. Er erhielt die vier spätgotischen Ecktürmchen, die den Halm flankieren, und eine 1469 gestiftete Kapelle eingebaut. Da seine Mauerstärke nicht jener des Palas entspricht, hat man immer wieder über das genaue Baualter gerätselt, ohne bisher eine befriedigende antwort zu finden. Dagegen beweisst die am Türsturz der Wendeltreppe, zusammen mit dem Wappen Diesbachs und seiner Devise eingemeisselte Jahrzahl 1472, dass Niklaus von Diesbach als Initiant einer Verbindung von Palas und Bergfried durch einen kühn konzipierten Wendelstein gelten darf. Ihm darf wahrscheinlich auch die Errichtung oder wenigstens der Ausbau des so genannten Ritterhauses an der Nordecke der Burg zugeschrieben werden.
Nach einem Brand (1535) stellte einer der Nachfahren Diesbachs die Anlage wieder her. Neue Fenstereinbauten und die ganze innere Einrichtung mit den ansehnlichen Kaminen, Malereien und einer hervorragenden Vertäfelung, die man, zum Teil in Resten, heute noch bewundern kann, entstanden damals oder etappenweise bis gegen Ende des Jahrhunderts. Das Bild der Burg wurde 1643 vervollständigt durch den barocken Flügel südlich des Hofes. Seither ist es noch durch einige Zutaten der romantik ergänzt worden.
Im neuen Südflügel entfaltete sich fortan und bis in unsere Zeit das leben der Bewohner. Der Baue wurde von Christoph von Graffenried veranlasst, an den das Schloss im 17. Jahrhundert überging und der in seinem Testament bestimmte, dass es künftig im Eigentum seiner Familie zu verbleiben habe. Dieser Verfügung wurde bis gegen ende des 18. Jahrhunderts nachgelebt. Einer der Besitzer wanderte 1709 schuldenbelastet nach Amerika aus, wo er mit seinem Sohn die Kolonie New Berne im späteren Staat North Carolina gründete. Er kehrte später zu seiner Familie nach Worb zurück, und man errichtete für ihn 1734 in der Nähe des Alten das Neue Schloss von Worb, eine prunkvolle Behausung im Stil des Rokoko. Unter Karl Emanuel von Graffenried, der nach 1758 der Herrschaft vorstand, erlaubte hoher Wohlstand die reiche Ausstattung auch des barocken Wohntrakts der Alten Burg.
Es mutet seltsam an und war vielleicht durch ein Vorausahnen der Umbruchszeit bedingt, dass die Witwe von Karl Emanuel, entgegen dem testamentarischen Willen Christophs, 1792 das Besitztum verkaufte. Es ging an die Familie von Sinner über, deren Wappen über der Eingangstür, allem Anschein nach in Eile, auf jenes der Graffenried aufstuckiert wurde. Im 19. und 20. Jahrhundert wechselt das Schloss mehrmals die Hand. Während längerer Zeit gehörte es den von Goumoëns, später, in einer unseligen Periode, einem Anhänger Hitlers. Seit 1955 befindet es sich, wohlbetreut, wieder in bernischem Privateigentum.
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