Graubuenden - Les Grisons :
Schloss Reichenau in Tamins - Château Reichenau a Tamins


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Reichenau

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Im Jahre 1792 verkaufte Graf Johann Rudolf Buol-Schauenstein, der Bruder des Fürstbischofs, Reichenau an die Herren Simeon Bavier, Präsident G. A. Vieli und Johann Baptist Tscharner, angeblich um nicht einer blinden Volkswut zum Opfer zu fallen, denn die Gedanken der französischen Revolution hatten auch schon in Graubünden Anklang gefunden. Tscharner verlegte seine bis anhin in Jenins untergebrachte Erziehungsanstalt in die Räume des Schlosses zu Reichenau. Leiter dieses Instituts war Johann Peter Nesemann aus Magdeburg. Einen neuen Aufschwung erhielt die Schule durch Heinrich Zschokke, einem Deutschen, ebenfalls aus Magdeburg, der eigentlich im Begriff war, von Paris aus nach Rom zu wandern und in Graubünden seine zweite Heimat fand. Nach Verfluss von einem Jahr war die Zahl der Zöglinge von 15 bis 70 gestiegen. Rühmend hervorzuheben ist die musterhafte Selbstregierung, durch welche die Schüler grosse Übung im raschen Handeln und Urteilen erhielten.


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An dieser wirkte auch vom November 1793 bis Ende Juni 1794 als Lehrer der flüchtige junge Herzog von Charles, nachmals Herzog von Orleans und von 1830-1848 König der Franzosen als Ludwig Philipp 1., der "Bürgerkönig". Als Monsieur Chabos erteilte er Französisch und Mathematik. Unter dem Schutze des damaligen Verwalters des Schlosses, Alois von Jost, eines ehemaligen Offiziers der Schweizergarde in Paris, kam er hierher. Seine Schüler hatten ihn seiner Freundlichkeit wegen bald liebgewonnen und machten in seinen Fächern grosse Fortschritte. Die Nachricht von der Hinrichtung seines Vaters, des Herzogs Philipp Egalité, welcher an der Revolution auch teilgenommen hatte, erschütterte ihn tief und warf ihn aufs Krankenlager. Unter der Behandlung des Dr. Georg Anton Vieli von Rhäzüns, welcher ihm wie einem Pferd zu Ader gelassen hatte, wie selbst zu sagen pflegte, genas der junge Mann wieder. Die fortdauernden politischen Unruhen waren jedoch einem weiteren Gedeihen der Anstalt sehr hinderlich, sodass 1798 Schüler und Lehrer das Schloss verliessen.
Im Schloss Reichenau nahm nun der französische Gesandte Guyot seinen Sitz. Er und Zschokke vertraten von hier aus die sogenannte Partei der "Patrioten", die Gegner der Salis und Österreichs, welche den Anschluss Graubündens an die Schweiz befürworteten. Der Kampf zwischen Frankreich und Österreich spielte sich teilweise auch in Graubündens Tälern ab. Reichenau war Zeuge der Kämpfe der Oberländer gegen die Franzosen (1799). In der Morgenfrühe des 3. Mai griffen die, an die 4000 Mann angewachsenen, aber grösstenteils mit Morgensternen, Äxten und Heugabeln bewaffneten Oberländer Bauern einen Posten von 900 Franzosen an, der die Brücke von Reichenau mit Geschütz verteidigte. In kühner Todesverachtung stürzten sie sich dem Kartätschenhagel des Feindes entgegen und trieben diesen durch Ems gegen Chur zurück. Als jedoch Menard den seinen von der Luzisteig her zu Hilfe kam, wurden die Oberländer durch das mörderische Feuer der Artillerie und Grenadiere, durch das Einhauen der Reiterei zum Weichen gebracht und bei Reichenau, wo sie von einer über Felsberg und Tamins vorgedrungenen Umgehungskolonne im Rücken gefasst wurden, völlig zersprengt. 638 Graubündner fanden in diesen Kämpfen den Tod und das Dorf Tamins ging in Flammen auf. Auch Reichenau wurde durch Plünderung und Feuer der Franzosen eine Trümmerstätte. Während der Meditationszeit wohnte eine Bergwerksgesellschaft in den kümmerlich wiederhergestellten Räumlichkeiten des Schlosses.


Die Urheber der Wiederaufnahme des bündnerischen Bergbaues waren keine Bergbaukundigen, sondern durch die Kriege in ihrem Vermögensverhältnissen zurückgebrachte Bauersleute, welche durch fabelhafte und abergläubische Volksüberlieferungen zum Goldsuchen verleitet wurden. Diese Gesellschaft kaufte also Reichenau, lies alle Gebäude ausbessern und eine Schmelzhütte errichten. Reichenau war eine sehr günstige Zentrale. Von hieraus konnte das Direktorium die Ausbeutung der Erzgruben im Schams und im Oberland leiten. Auf den beiden Rheinen konnten sie Holz genug zum Schmelzen herbeischaffen, und endlich konnte man von Reichenau aus auf Flössen die Schmelzprodukte weiterführen. Auch die Goldader am Calanda lockte diese Herren und sie errichteten tiefgehende Stollen und Schächte. Aus dem gewonnenen Golde liess man sogar etliche Münzen prägen, welche die Jahreszahl 1813 tragen, und heute noch heisst die verlasse Grube "zur goldenen Sonne". Mit diesem Betrieb hatten sich auch französische Familien in Reichenau niedergelassen, so die Rousselots usw., deren Nachkommen heute noch in Bonaduz wohnen. Da dieser Gesellschaft eine im Bergbau und Hüttenbetrieb erfahrene Leitung fehlte, brachte zufolge der grossen Betriebskosten die Ausbeutung der Erze wenig oder keinen Gewinn. Die meist fremden Kapitalien waren bald aufgebraucht und 1812 ging die Gesellschaft ein.

"Aus der Geschichte von Reichenau" von Dr. G. Federspiel sel.

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