Östlich von Küssnacht am See (früher Küssnach) erheben sich auf einer steil abfallenden, felsigen Hügelrippe nahe der Strasse, die auf die Seebodenalp auf der Rigi führt, die heute noch imposanten Überreste der Gesslerburg. Lage und Umfang der einstigen, jetzt nur als Ruine vorhandenen Burg lassen ihre ehemalige Bedeutung erkennen. Den Namen „Gesslerburg“ erhielt die Anlage erst im lauf des 19. Jahrhunderts. Mit dem Gessler der Befreiungssage hat die Burg allerdings nichts zu tun. Vielmehr hauste auf der ausgedehnten Anlage das ritterliche, edelfreie Geschlecht derer von Küssnach. Vom Kloster Murbach-Luzern hatte die Familie die Vogtei über das Dorf Küssnach als Lehen erhalten. Die Burg selbst bildete aber ein Allod der Familie. Die 1910 und später von Robert Durrer durchgeführten Ausgrabungsarbeiten legten den Grundriss der mächtigen Ruine frei.
Die bei dieser Gelegenheit ausgegrabenen Kleinfunde entsprechen nicht dem üblichen Fundinventar von kleinadeligen Landburgen, sondern belegen eine gehobene, repräsentative Wohnkultur der Burgbewohner. Waffen aller Art konnten geborgen werden, so Schwertklingen, Lanzenspitzen, ferner Steigbügel, Sporen und ein feuervergoldetes Fingerstück eines Panzerhandschuhs. Am Fuss einer Treppe stiessen die Ausgräber auf ein männliches Skelett, in dessen nächster Nähe sich verschiedene Harnischteile befanden. Diese sind von Waffenhistorikern genauer untersucht worden und konnten als Fragmente eines Spangenharnischs aus dem zweiten Viertel des 14. Jahrhunderts gedeutet werden. Sie bestehen aus fünft Brust- und fünf Rückenstreifen aus geschmiedetem Eisen, die ursprünglich auf der Aussenseite eines Wamses aus Stoff oder Leder angenäht waren. Die grösste Sensation war aber der Fund eines eisernen Topfhelms, der aus vernickelten Eisenplatten bestand. Der Sehschlitz und die Atemlöcher sind deutlich erkennbar. Auch er ist in das zweite Viertel des 14. Jahrhunderts zu datieren. Von solchen mittelalterlichen Kampfhelmen haben sich insgesamt lediglich dreizehn erhalten: die Schweiz besitzt nun drei davon. Zu den zwei bereits bekannten Topfhelmen aus dem Sodbrunnen der Burg Madeln BL gesellt sich dieser Fund aus der Gesslerburg. Auch zwei Turnierkrönlein, die bei den ritterlichen Turnieren wegen ihrer geringeren Gefährlichkeit verwendet wurden, gehören zu den seltensten Fundstücken aus mittelalterlichen Burganlagen. Die anderen Fundgegenstände sind Geräte des täglichen Lebens wie Schlüssel und Werkzeuge. Die Fragmente von Glasbechern, Importwaren aus venezianischen Glashütten, belegen nicht nur eine gehobene, gepflegte Wohnkultur, sondern bezeugen auch einen regen Warenhandel mit dem Süden.
Den Kern der Burganlage bildeten ein mächtiger Bergfried und ein geräumiger, mehrmals unterteilter Palas. Die Wohnräume wurden mit Kachelöfen beheizt. Beide Bauwerke, Bergfried und Palas, schlossen einen Zwinger ein. Innerhalb eines äusseren Mauerrings befand sich der weitläufige Burghof, der mit Ökonomiegebäuden und Ställen überbaut war. Der Bergfried stand vollständig frei, nur Zwingermauern führten von ihm zum etwas später errichteten Wohngebäude.
Bereits 1087 erscheint ein Eghart von Küssnach als Zeuge in einer Urkunde von Allerheiligen. Um 1095 wurde er nach Rom gesandt, um vom Papst eine Bestätigung der klösterlichen Gründung zu erwirken. Der spätere typische Vorname der Ritter von Küssnach, Eppo, ist eine Koseform des Namens Eghart. Zu Beginn des 13. Jahrhunderts sank die Familie in den Ministerialenstand ab; die Gründe dafür sind nicht bekannt. Eppo I erscheint 1210 neben anderen Dienstleuten als Bürge für Graf Rudolf von Habsburg gegen das Kloster Engelberg. Urkunden berichten von verschiedenen Streitigkeiten der Herren von Küssnach mit den Dorfbewohnern, wohl wegen zu hoher Steuerabgaben. Unter Eppo II wollten 1302 seine aufgebrachten Untertanen die Feste Küssnach stürmen. Ritter Hartmann von Küssnach nahm 1347 Burgrecht in der Stadt Luzern. Er war mit Margareta, der Tochter des Bürgermeisters Rudolf Brun von Zürich, verheiratet. Anlässlich der Fehde zwischen der Stadt Zürich und Habsburg-Österreich verbrannten Anfang Mai 1352 vierhundert Österreicher das Dorf Küssnach. Dabei soll auch die Burg Küssnach in flammen aufgegangen sein. Diese Aussage ist unwahrscheinlich, denn im Herbst 1352 zahlte Ritter Hartmann von Küssnach der Stadt Luzern, mit der er ja verburgrechtet war, eine beträchtliche Steuer. Als Brandgeschädigter wäre er dazu wohl kaum in der Lage gewesen. Auch wird sich das männliche Skelett, das bei den Freilegungsarbeiten zum Vorschein kam, nicht mit Hartmann in Verbindung bringen lassen. Eine gewaltsame Zerstörung der Burg wird durch die ausgedehnten Brand- und Aschenschichten belegt. Die lokalen Ereignisse jener Zeit liegen aber im dunklen, so dass keine Schlüsse über den Zeitpunkt der Zerstörung möglich sind. Die Burg war durch Verträge mit Zürich und Luzern ein „offenes hus“ für die Eidgenossen geworden, so dass es möglich erscheint, der Angriff der Österreicher habe Hartmann, dem Schwiegersohn des Zürcher Bürgermeisters, gegolten. Sollte die Burg nicht von den Österreichern zerstört worden sein, so wäre nach Robert Durrer ein lokaler Aufstand als Ursache sehr wahrscheinlich, denn die Küssnacher standen von jeher in einem schlechten Verhältnis zu ihren Herren und hatten bereits 1302 dem Vater von Hartmann die Burg brechen wollen. Wir neigen eher zur Ansicht, dass die Burg einer natürlichen Feuersbrunst zum Opfer fiel, denn bei einer bewussten Zerstörung der Anlage hätten die Eroberer die Burg zuerst geplündert und alles mitgeschleppt, was nicht niet- und nagelfest war, und erst dann Feuer gelegt. Die Fülle der ausgegrabenen kostbaren Kleinfunde spricht aber für eine plötzliche, unerwartete Brandkatastrophe.
Von Hartmanns Schwester gelangte die Feste, welche bald wieder hergestellt und sogar erweitert worden war, an Johann von Kienberg, von dem sie den Namen „Kienberg“ übernehmen sollte. Über verschiedene Besitzer kam die Burg schliesslich an Ritter Arnold von Silenen. Auf der Burg von Küssnach wurde um 1440 Jost von Silenen, der spätere Bischof von Sitten und gewandte Diplomat, geboren. Nach seinem Zwist mit den Wallisern wurde er vertrieben und starb am Hofe des französischen Königs. Sein Neffe Kaspar von Silenen wurde 1506 von Papst Julius II zum Gardehauptmann der eben gegründeten Schweizergarde nach Rom berufen und fiel 1517 in der Schlacht von Rimini. Wegen verbotener Söldnerwerbung wurde 1517 das Erbe der Silenen von der Obrigkeit des Standes Schwyz beschlagnahmt. Die Silenen verlegten in der Folge ihren Wirkungskreis nach Rom. Die unbewohnte Burg Küssnach zerfiel allmählich. Es gelang zwar Kaspars Sohn, sein Erbe nach zwanzig Jahren zurückzuerhalten. Aber bereits um 1532 erscheint die Burg in der Chronik des Aegidius Tschudi als Ruine. Im ausgehenden 19. Jahrhundert wäre die Anlage beinahe vollständig abgebrochen worden. Erst 1910 erwarb die Eidgenossenschaft die Ruine und ermöglichte durch grosszügige Kredite Ausgrabungs- und Konservierungsarbeiten.
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