Über dem schmucken Städtchen Werdenberg mit seinen prächtige spätmittelalterlichen Holzhäusern erhebt sich das in den letzten Jahren hervorragend renovierte, vorzüglich erhaltene Schloss. Markant ist der grosse, zehn Meter im Geviert messende, mit schweren Eckquadern versehene, sonst verputzte Bergfried. Über dem Zinnenkranz ruht ein flaches Zeltdach mit aufgesetztem Türmchen mit Zwiebelabschluss. Ein angelehnter behäbiger Bau mit Walmdach grüsst zum Städtchen und zum See hinunter.
Vom Westen her betritt der Besucher den äusseren, von einer bis auf die Höhe der Brustwehr abgebrochenen Ringmauer gebildeten Burghof. Der Südwange des Turms und des anschliessenden Gebäudes folgend, durchschreitet er das nächste, aus Tuffsteinen gemauerte, innere Hoftor und betritt den eigentlichen Burghof, welcher der gesamten Ostfassade der Burg gegen das Städtchen hin vorgelagert ist. Im Vorhof ist ein ehemaliges Stallgebäude an die südliche Ringmauer angelehnt. Im grossen Burghof diente ein Sodbrunnen der Wasserversorgung.
Heute gliedert sich die gewaltige Anlage in den Turm und einen riesigen an die Nord- und Ostflanke des Turms angelehnten Palas. In Wirklichkeit handelt es sich aber um einen in verschiedenen Etappen gewachsenen Gebäudekomplex. Ursprünglich bestand nur der mächtige Bergfried aus der Zeit um 1200, wohl von einem Bering und einem umlaufenden Trockengraben geschützt. Einzelne Holzbauten dienten dem Gesinde als Unterkunft und als Ökonomiebauten. Wohl im endenden 13. Jahrhundert kam im Norden der grosse Palas hinzu, in welchem später die Landvögte die Wohngemächer und das Archiv einrichteten und wo sich im ersten Stockwerk der grosse Rittersaal befand. Dieser Palas war mit dem Turm ursprünglich nicht fest verbunden. Nur ein Holzsteg führte vom Bergfried hinüber.
Am Ende des 15. Jahrhunderts wurde das riesige Treppenhaus auf der Ostseite des Turms an die Südflanke des Palas angegliedert und dieser in der Südwestecke durch eine Mauer mit dem Bergfried verbunden. Über beiden Bauten errichtete man ein gewaltiges gewalmtes Dach, wie es heute noch vorhanden ist. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts erweiterte man nach Süden diesen Zweitbau und verlängerte das Hauptdach entsprechend. Dieser Gebäudeteil heisst Rebmannswohnung, enthält indessen im Erdgeschoss den Haupteingang zum Schloss mit einem tonnenförmigen Gewölbe zwischen dem äusseren und inneren Schlosstor. Dann weitet sich der riesige Flur mit dem Treppenhaus, mit den schweren Steinplattenböden und den durch Holzsäulen gestützten Balkendecken. Ebenerdig ist in die Bergfriedwand ein Durchgang ausgebrochen, welcher in das sieben auf sieben Meter im Geviert messende Gelass des Turms führt. Es ist sieben Meter hoch und völlig fensterlos.
Es wird immer wieder irrtümlicherweise als grosses Verlies bezeichnet. Bedenkt man aber, dass unmittelbar darüber die grosse Schlossküche mit dem mächtigen Rauchfang und dem Kamin eingerichtet war und ist, so fällt es nicht schwer, diesen Raum als Keller, als Lagerraum für die im Winter bewahrten Früchte, zu erkennen. Während der riesige Hausflur von hochrechteckigen Fenstern mit Stichbogenabschluss erhellt wird, zeigen noch mehrere Fenster im ehemaligen Palas die spätgotische Dreiteilung, innen mit eleganter Stichbogennische. Die Räume des Palas besitzen einfache Kassettendecken und dreiviertelhohes Getäfelter. Der ehemalige Hofteil zwischen Bergfriednordwand und Palassüdwand ist mit schlichten Kreuzgewölben eingedeckt. An der ehemaligen Aussenwand des Palas gegen den Flur prangen die Wappen der hier einst residierenden Landvögte.
Seit einigen Jahren dient das Schloss der Öffentlichkeit als Ortsmuseum. Prächtiges Mobiliar, einige treffliche Glasgemälde, Zinngegestände und Gemälde geben dem Ganzen einen wohnlichen Charakter. Unter den Malereien sei ein Altarbild von 1539 hervorgehoben. Es zeigt Christus am Kreuz, links die Muttergottes und Maria Magdalena, rechts den Lieblingsjünger Johannes und den heiligen Gallus. Auf der Rückseite findet sich die Darstellung des Weltenrichters. Seit kurzem ist im Erdgeschoss des Palas die Waffen- und Uniformsammlung Braschler zur Schau gestellt, während im Dachstock von Palas und Treppengebäude das „Rheinmuseum“ eingerichtet ist.
In dem in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts erbauten Bergfried wohnten die Grafen von Montfort. Im Raum des oberen Bodensees bis weit hinein ins Rheintal gegen die Alpen hatten deren Vorgänger, die Grafen von Bregenz, wesentliche Teile ihres Besitzes. Um die Mitte des 12. Jahrhunderts starb der letzte dieses mächtigen Geschlechts. Die einzige Erbtochter war mit dem Pfalzgrafen von Tübingen verheiratet. Ihr jüngerer Sohn erbte die Grafschaft Bregenz und nahm seinen Sitz im Vorarlbergischen auf der Burg Montfort bei Götzis. Er und seine Nachkommen nannten sich fortan danach der Burg Montfort, behielten aber das alte Wappen der Tübinger, die rote Kirchenfahne auf weissem Grund, bei. Von diesem ersten Montforter, Hugo I, erbte einer seiner Söhne, Graf Rudolf, um 1230 die linksrheinischen Gebiete und wurde damit Begründer des Werdenberger Grafengeschlechts. Unter seinen beiden Söhnen Hugo und Harmann wurde das Erbe nochmals geteilt. Es entstanden die beiden Herrschaften Werdenberg-Heiligenberg und Werdenberg-Sargans. Die Kirchenfahne blieb als Wappenbild bestehen, lediglich die Farben wurden gewechselt. Werdenberg-Heiligenberg führte eine schwarze Fahne auf weissem, Werdenberg-Sargans eine weisse Fahne auf rotem Grund.
1288, im Kampf Rudolfs von Habsburg gegen den Abt von St. Gallen, Wilhelm von Montfort, trat Hugo II von Werdenberg auf die Seite des Habsburgers. Der Bischof von Chur und Bruder des Abts, Friedrich von Montfort, wurde im Lauf dieser Auseinandersetzungen gefangen genommen und auf Werdenberg in Haft gesetzt. Als er 1290 einen Fluchtversuch unternahm, stürzte er zu Tode. Als treuer Parteigänger des neuen Landesherrn Habsburg nahm Hugo II 1298 auch an der Schlacht von Göllheim teil und wurde für seine Hilfe auf der Seite Albrechts als Landvogt von Oberschwaben eingesetzt. Zur Herrschaft Werdenberg gehörten in der Mitte des 14. Jahrhunderts der grösste Teil des heutigen schweizerischen Rheintals, das Thurtal und viele Besitzungen und Rechte im Bündnerland und in Vorarlberg.
Zu Ende des Jahrhunderts verarmten die Werdenberger, die wohl den grossen Palas, vielleicht auf den Fundamenten eines kleineren, älteren, hatten aufführen lassen, mehr und mehr, so dass Rudolf II 1402 sich gezwungen sah, die Herrschaft an Heinrich von Montfort-Tettnang zu verpfänden. 1404 belagerten dessen Gegner, die Österreicher, die Burg und eroberten sie. Vergeblich verbündete sich Rudolf mit den Appenzellern und kämpfte am Stoss gegen Österreich. Er konnte seine angestammte Besitzung nicht mehr einlösen und starb, völlig verarmt, fern der Heimat. Bis 1482 blieb die Herrschaft im Besitz der Montfort-Tettnang, ging dann an Sax-Misox über und wurde 1485 an den Stand Luzern verpfändet. Die Liegenschaft war zu jener Zeit in einem schlechten Zustand, und der neue Pfandinhaber liess das imposante, gewölbte Treppenhaus mit den Steinplatten belegten Fluren und das Verbindungsstück zwischen Bergfried und Palas errichten. Für Luzern war die um diese Zeit wenig einträgliche Herrschaft jedoch zu abgelegen und wechselte deshalb die Hand. Erst waren die von Kastelwart, dann die Freiherren von Hewen Besitzer. Dann trat Glarus auf den Plan, kaufte um 21000 Gulden 1517 die stark verschuldete Grafschaft, zu der auch die Herrschaft Wartau gehörte, und errichtete eine Landvogtei, die es bis 1798 als gestrenge Herrin verwaltete. Nach dem Brand von 1695, der während des Festmahls zum Einzug des neuen Landvogts ausbrach und das Innere fast vollständig zerstörte, wurde der Turm mit dem heutigen Dach versehen. Das dritte Turmgeschoss wandeltete man 1712 zum Zeughaus um.
Als 1803 der neue Kanton St. Gallen geschaffen wurde, kam es zwischen der Regierung und dem Stand Glarus wegen der Zugehörigkeit des Schlosses und der Güter zu schweren Meinungsverschiedenheiten. Ein Schiedsgericht entschied zugunsten der Glarner. Diese versteigerten jedoch die wegen der veränderten politischen Verhältnisse uninteressant gewordene Besitzung 1810 an Private. 1835 erwarb die aus Werdenberg stammende Familie Hilty das Schloss und stattete es geschmackvoll aus. Der Arzt Hilty richtete in der Rebmannwohnung ein Ordinationszimmer und eine Apotheke ein. Beide sind heute noch erhalten und dem Besucher zugänglich. Die Letzte der Familie, Frieda Hilty, machte das Schloss dem Kanton St. Gallen zum Geschenk, der es in den letzten Jahren durchgreifend renovieren liess.
Vor den Renovierungsarbeiten
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