Die Leventina bildet in ihrem untersten Abschnitt ein tief eingeschnittenes Trogtal, dessen Sohle von Biasca her, wo das Bleniotal einmündet, zunächst nur unmerklich ansteigt. Erst hinter Giornico, deutsch Irnis, beginnt der eigentliche Anstieg in Richtung Faido, Airolo und Gotthard. Im hintersten Abschnitt der unteren Talstufe von Giornico wurden schon früh Befestigungen angelegt. Auf dem Felssporn Caslasc sind die imposanten Reste einer prähistorischen Wehranlage zu erkennen. Mit ihren aus riesigen Blöcken aufgetürmten Mauern von mehreren Metern Dicke stellt die Festung von Caslasc wahrscheinlich die bedeutendste Ruine einer urgeschichtlichen Wehranlage in der Schweiz dar. Im Mittelalter erhoben sich im Raum von Giornico drei Burgen. Die grösste und wichtigste stand auf dem Hügel, der heute die Kirche von S. Maria del Castello trägt. Nahe der heutigen Bahnlinie, gegenüber den Kirchen S. Nicolao und S. Michele, sind auf einem bewaldeten Felshügel die dürftigen Spuren einer zweiten Burg zu finden, der Torre della Galinascia, von der allerdings nichts Näheres bekannt ist. Die dritte Anlage schliesslich, ein gut erhaltener Wohnturm mit jüngeren Nebenbauten, erhebt sich im oberen Dorfteil auf der linken Talseite. Es handelt sich um die Torre di Attone, einen mächtigen Turm, der mit seinen sechs Stockwerken in markanter Weise die Häuser der Umgebung überragt. Am Bauwerk fällt vor allem der Grundriss auf, der ein unregelmässiges Viereck beschreibt.
Der Innenausbau stammt mit den Zwischenböden, der Kaminanlage und den weiten Fensteröffnungen aus dem 19. Jahrhundert. Im Mauerwerk des Turms zeichnet sich deutlich ab, dass die ganze Südwestpartie bis ins Erdgeschoss hinunter abgetragen und neu ausgeführt worden sein muss, wahrscheinlich im Zusammenhang mit den Erneuerungsarbeiten im 19. Jahrhundert. Das originale Mauerwerk besteht aus lagerhaften Bruchsteinen. Im Eckverband finden sich sorgfältig zurechtgehauene Bossenquadern. In der Nordostwand ist noch eine zum ursprünglichen Baubestand gehörige Schmalscharte zu sehen. Am Innenverputz haben sich Spuren einer einfachen Wandmalerei erhalten. Der heutige Dachaufbau ist modern. Anfänglich war der Turm nur fünf Geschosse hoch, im Spätmittelalter scheint eine mehrgeschossige Aufstockung vorgenommen worden zu sein, die im 19. Jahrhundert bis auf die heutige Höhe wieder abgetragen wurde.
Über die Torre di Attone ist schon viel gerätselt und gefabelt worden. Der Name ist wohl erst im Barockzeitalter aufgekommen, als man den Turm mit dem Bischof Atto von Vercelli in Verbindung brachte, der im 10. Jahrhundert die Leventina dem Domkapitel von Mailand testamentarisch übertragen haben soll. Von seinen baulichen Merkmalen her ist der Turm jedoch ins 13. Jahrhundert zu datieren. Offenbar diente er einem lokalen Beamten als Wohn- und Amtssitz. Im 14. Jahrhundert tagte in ihm der Talrat, und 1311 ist er in den Händen eines Herrn Hugo bezeugt, der vermutlich das Amt eines Podestà der Leventina innehatte. Später erscheint der Turm in privaten Besitz übergegangen zu sein.
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