Im Bleniotal gibt es eine Gruppe rätselhafter Wehrbauten, die wie Schwalbennester an den schroffen Felswänden der steilen Talflanken kleben, geschützt von einem überhängenden Felsschirm oder von der Höhlung einer natürlichen Grotte. Allen diesen Anlagen sind die beschwerlichen Zugänge gemeinsam, die heute nur mittels halsbrecherischer Kletterei bewältigt werden können und die auch im Mittelalter, über hölzerne Leitern und Galerien führend, sehr unbequem gewesen sein müssen. Von manchen Anlagen haben sich nur dürftige Mauerreste erhalten, die kaum Schlüsse auf das einstige Aussehen erlauben. Das Fehlen schriftlicher Zeugnisse, die verwegene Bauweise und die schlechte Zugänglichkeit haben in der Volksmeinung zur Bildung von Hexen- und Dämonensagen und bei den Gelehrten zur Entwicklung phantastischer Deutungsversuche geführt. In den schwer erreichbaren Bauten sollen sich heidnische Bewohner der Vorzeit aufgehalten haben, woran die heutigen Bezeichnungen Case dei Pagani (Heidenhäuser), Case dei Cröisch und Case digl Grebel erinnern. Auch hat die Phantasie Drachen, Zwerge und Zauberer in den Ruinen angesiedelt. Ältere Forscher hatten versucht, die Bauten mit den Streifzügen der Sarazenen durch den Alpenraum in Verbindung zu bringen oder sie als Einsiedeleien, Behausungen von Aussätzigen oder einfach als Räuberhöhlen zu erklären.
In neuester Zeit hat die Forschung jedoch den Beweis erbracht, dass es sich bei den Case dei Pagani des Bleniotals um kleine Burganlagen handelt, die im Hochmittelalter von Geschlechtern lokaladligen Rangs errichtet und bewohnt worden waren, wobei in Zeiten erhöhter Kriegsgefahr auch Teile der bäuerlichen Tatbevölkerung mit ihrer Habe auf den schwer angreifbaren Plätzen Schutz gefunden haben mögen. Die Anlage von Dongio ist als kleine Adels- und Fluchtburg zu betrachten. Ihre ansehnlichen Überreste schmiegen sich in eine natürliche Grotte, zu der ein steiler Aufstieg über ein schmales Felsband führt. Auf der Ostseite sperrte eine Traverse den Zugang und schützte das Wohngebäude gegen feindlichen Beschuss. Der Wohntrakt, ein langgestreckter, zweigeteilter Bau, erhebt sich noch bis in eine Höhe von drei geschossen. Verschieden geformte Fensteröffnungen und eine Abortnische erinnern an die einstige Bewohnbarkeit. Ins Innere des Gebäudes führt eine erhöht angebrachte Türe, die über eine aus vorspringenden Steinplatten gebildete Treppe zugänglich ist. Der heutige Bau ist anscheinend in mehreren Etappen errichtet worden. Das oberste Geschoss, heute in Trockenmauerwerk aufgeführt, bestand ursprünglich aus Holz. Am Fuss des Felsvorsprungs, der den Wohntrakt trägt, sind dürftige Reste weiterer Bauten zu erkennen, über deren Funktion nichts bekannt ist.
Über die Casa dei Pagani von Dongio, die am besten erhaltene Anlage dieser Art, fehlen historische Nachrichten. Burgenkundliche Vergleiche, vor allem mit der archäologisch untersuchten Ruine von Malvaglia, lassen am ehesten an ein Errichtungsdatum in der Zeit zwischen dem 11. und dem 13. Jahrhundert denken. Im Verlauf des 15. Jahrhunderts dürfte die kleine Burg verlassen worden sein. Von einem lokaladligen Geschlecht, das mit der Burg in Verbindung gebracht werden könnte, ist nichts bekannt.
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