Weitere Luftaufnahmen von Vufflens
Die gewaltige Burganlage von Vufflens bildet das imposanteste Beispiel für eine kleine Gruppe westschweizerischer Burgen spätmittlealterlicher Zeitstellung, deren Hauptmerkmal die Verwendung von Backstein als Baustoff darstellt. Vufflens erhebt sich als mächtiger mehrgliedriger Baukörper auf einem sanften Hügel hoch über den Genfersee bei Morges. Von der ursprünglich sehr ausgedehnten Anlage ist nur noch die Kernburg vollständig erhalten, während die Aussenbefestigungen und Annäherungshindernisse neuzeitlichen Umgestaltungen zum Opfer gefallen sind. Wo heute der gebäudekomplex des zum Schloss gehörigen Wirtschaftshofes steht, ist für das Mittelalter eine weitläufige Vorburg mit wehrhaften Bering anzunehmen, innerhalb dessen sich Ställe, Scheunen und sonstige Ökonomiegebäude sowie Gesindewohnungen befunden haben dürften.
Die Kernburg setzt sich aus drei Hauptelementen zusammen, aus einem Osttrakt, bestehend aus einem Palas mit runden Eckrisaliten, einem Westtrakt, bestehend aus einem mächtigen Wachtturm inmitten eines viereckigen Beringes mit Ecktürmen, und aus einem ummauerten Hof, der Ost- und Westtrakt miteinander verbindet. Entgegen älteren Auffassungen, die den Palas des Osttraktes in die Zeit um 1200 datieren möchten, ist der ganze Gebäudekomplex von Vufflens dem frühen 15. Jahrhundert zuzuweisen, wobei freilich im Hinblick auf die gewaltigen Mauermassen mehrere Bauetappen anzunehmen sind.
Der Westtrakt bildet mit seinen hochragenden quadratischen Wachtturm zweifellos das beherrschende Bauwerk der Burg. Mit Einschluss des Kellers ist der Wachtturm bis zum Ansatz des Daches sechs Stockwerke, d.h. über dreissig Meter hoch. Das oberste Geschoss kragt auf Maschikulis vor und ist mit Zinnen bewehrt. Ein runder, aus der Mauerflucht vorstehender Treppenturm verbindet die einzelnen Stockwerke miteinander. Das Innere des Wachtturms ist anscheinend nie fertig ausgebaut worden. Während der Raum über dem Keller eine herrschaftliche Küche mit repräsentativ ausgestaltetem Grosskamin enthält, sind die oberen Geschosse nicht weiter als bis zum Rohbau gediehen, obwohl noch bis ins 16. Jahrhundert hinein Arbeiten im Turminnern vorgenommen worden sind. Auf drei Seiten umgibt den Wachtturm eine Ringmauer mit Wehrgang, in jeder Ecke zusätzlich durch einen Viereckturm verstärkt. Auf der vierten Seite, gegen den Innenhof hin, ist dem Wachtturm ein Torbau mit repräsentativem Treppenaufgang vorgelagert.
Der Osttrakt, ein rechteckiger Palas, ist im 19. Jahrhundert innen völlig umgestaltet worden, und auch sein Äusseres hat durch verschiedene Restaurierungen bedeutende Veränderungen erfahren. Immerhin wird die Silhouette des Bauwerks mit dem Walmdach, den spitzen Kegeldächern auf den runden Eckrisaliten und mit den zinnenbewehrten Maschikulis als Mauerbekrönung dem ursprünglichen Aussehen entsprechen, wenn man einer Abbildung des Schlosses von 1691 Glauben schenken darf.
In seiner grosspurigen Monumentalität steht der Baukörper von Vufflens innerhalb der schweizerischen Backsteinburgen einzig da. Alle anderen Anlagen (Lausanne, Estavayer, Châtelard u.a.) halten sich in viel Bescheidenerem rahmen. In Vufflens verbindet sich das Streben nach Wohnkomfort und Wehrhaftigkeit mit einer fast unerträglichen standesbewussten Geltungssucht zu einer unerhöhrten Grossartigkeit. Die architektonischen Vorbilder des Baues stammen aus Italien, wie übrigens auch die Backsteintechnik. In der Biographie des Bauherrn Heinrich von Colombier findet sich nicht nur die Erklärung für diese italienischen Einflüsse, sondern auch für die ungewöhnlichen Dimensionen. Die Anfänge der Burg und der Herrschaft Vufflens reichen allerdings wesentlich weiter als bis in die Zeit Heinrichs von Colombier zurück.
Weitere Fotos aus dem Innern des Wachtturmes Dans le donjon |
In Vufflens-la-Ville südlich Cossonay scheint es um die Jahrtausendwende beträchtliches hochburgundisches Königsgut gegeben zu haben, das schenkungsweise an das Kloster Romainmôtier gelangt war. Ein lokaladliges Geschlecht, dessen Angehörige für das Kloster als Meier amteten, verwaltete diesen Güterkomplex. Bereits um 1100 teilte sich die Familie. Die eine Linie verblieb bis zu ihrem Erlöschen im 13. Jahrhundert in Ausübung des Meieramtes zu Vufflens-la-Ville, die andere begründete in neugerodetem Land oberhalb Morges eine selbständige Herrschaft mit der Burg Vufflens im Zentrum. Wie diese erste, um 1100 errichtete Anlage ausgesehen hat, wissen wir nicht. Möglicherweise handelte es sich um eine einfache Holz-Erdburg. Die mit den Rodungsarbeiten betrauten Untertanen hausten in einem kleinen Dörfchen zu Füssen der Burg, dem heutigen Vufflens-le-Château. Die mit Peter von Vufflens um die Mitte des 12. Jahrhunderts urkundlich erstmals fassbare Familie hatte Mühe, sich gegen den mächtigen Hochadel der Gegend zu behaupten, der nach der Aufrichtung geschlossener Territorialherrschaften strebte. Guillaume von Vufflens huldigte um 1175 dem Bischof von Lausanne, doch gingen dessen Lehnsrechte im frühen 13. Jahrhundert an die Grafen von Genevois über. Diese belehnten mit der Herrschaft Vufflens die Herren von Cossonay, wodurch die ursprünglichen Inhaber der Burg, die Herren von Vufflens, zu unbedeutenden Untervasallen absanken. Die edelfreien Herren von Cossonay gehörten zu den Parteigängern der Grafen von genevois in deren Auseinandersetzung mit Peter von Savoyen um die Vorherrschaft im Waadtland. Die Cossonay waren jedoch dem Savoyer nicht gewachsen und mussten deren Oberherrschaft anerkennen. Um den Übergang der Herrschaft Vuffelns an Savoyen zu verhindern, bereiteten die Grafen von Genevois eine Heiratsverbindung zwischen dem erlöschenden Hause Vufflens und den Herren von Duin, ihren Anhängern, vor. Tatsächlich fiel auf diese Weise gegen die Mitte des 13. Jahrhunderts Vufflens an die Familie von Duin, doch wechselte nach einiger Zeit die Partei und unterwarf sich Peter II. von Savoyen. Damit ging die Herrschaft Vufflens als Lehen der Duin im Besitz des Hauses Savoyen auf. |
Um 1390 fiel Vufflens erbweise an Heinrich von Colombier, der eine Duin geheiratet hatte. Mit Hilfe Savoyens wehrte Heinrich Erbansprüche seines Schwagers ab, der sich vorübergehend der Burg gewaltsam bemächtigt hatte. Heinrich von Colombier, dessen Vater im Dienste Savoyens bereits eine wichtige Rolle gespielt hatte, zählte zu den engsten Vertrauten des Grafen Amadeus VIII von Savoyen. Mit bedeutenden diplomatischen Aufgaben betraut, begegnet er uns als Gesandter in Konstantinopel, als Statthalter in Piemont, als Vermittler des Friedens zwischen Venedig und Mailand (1426). Sein militärisches Geschick bewies er in einem erfolgreichen Feldzug gegen den Markgrafen von Montferrat. Das Vertrauen, das ihm der mittlerweile zum Herzog aufgestiegene Amadeus VIII von Savoyen entgegenbrachte, äusserte sich auch in seiner Ernennung zum Haushofmeister.
Ein derart mächtiger, weitgereister und allenthalben gefürchteter Herr konnte sich mit der bescheidenen Burg, die ihm seine Gemahlin in die Ehe gebracht hatte, nicht begnügen. Heinrich von Colombier war es denn auch, der den Vorgängerbau abbrechen und an dessen Stelle die gewaltige Backsteinburg errichten liess. Italienische Baumeister, die auch auf den anderen Burgen im Waadtland arbeiteten, wurden mit der Durchführung des Werkes betraut.
In seinen späteren Jahren zog sich Heinrich von Colombier, von einer religiösen Krise ergriffen, zusammen mit seinem Herrn Amadeus von Savoyen aus der Welt zurück. Mit weiteren Gesinnungsgenossen führten sie in Ripaille ein frommes Einsiedlerleben.
Um 1438 starb Heinrich von Colombier und wurde in Montheron begraben. Die Herrschaft fiel an seinem Sohn, Richard, der sie an seine Nachkommen weitervererbte, bis das Geschlecht 1544 ausstarb. In den Auseinandersetzungen zwischen dem savoyischen Adel und der von Bern unterstützten Stadt Genf wurde Vufflens von bernischen Scharen geplündert und in Brandt gesteckt (1530), dagegen erlitt die Burg 1536 anlässlich der Eroberung des Waadtlandes durch die Berner unter Hans Franz Nägeli keine Beschädigungen. Unter bernischer Oberhoheit wechselte Vufflens nach 1544 mehrmals den Inhaber, bis das Schloss 1641 als Heiratsgut der Maria Quay an die Familie de Senarclens gelangte.
Noch heute ist das Schloss Privatbesitz und kann nicht besichtigt werden.
Die beiden Fotos wurden von P. Morandi aufgenommen ( www.photos-trains.ch )
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