Herrliberger 18e
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Wer auf der Autobahn von Zürich nach Winterthur fährt, erblickt kurz vor der Ausfahrt Wülflingen auf einem bewaldeten Hügel den Turm Alt-Wülflingen. Es ist der erhaltene Überrest einer grösseren Burganlage. Die geschichtlichen Quellen legen nahe, dass dem aus der Zeit um 1200 stammenden Turm ältere Wehrbauten vorausgegangen sein müssen. Eine archäologische Untersuchung des geräumigen Burgplateaus von dreissig auf vierzig Meter könnte zu überraschenden Ergebnissen führen. Die natürlichen Gegebenheiten der Burgstelle lassen an einen alten Siedlungsplatz oder gar an eine Fluchtburg denken. Auf drei Seiten fällt der Burghügel fünfzig und mehr Meter sehr steil ab. Einzig die Ostflanke musste durch einen künstlichen Graben geschützt werden, dessen Verlauf noch erkennbar ist. Vermutlich war einst der ganze Hügel, sicher aber der zur Töss abfallende Hang, bis ins 18. Jahrhundert unbewaldet. Der obere Ziel diente als Viehweide, im flacheren Teil lagen Äcker und Bauhof. Dieser zur Burg gehörende Landwirtschaftsbetrieb mit Pächterhaus, Scheune, Stall und Waschhaus wurde erst 1834 abgebrochen. Auf der Südwestseite ist der Burghügel durch eine tiefe Senke, in der einst Fischteiche lagen, von einem Höhenzug getrennt, auf dem sich eine weitere Burg erhob, die man Hoch-Wülflingen oder Neuburg nannte. Im Gegensatz zu ähnlichen Neugründungen, auf die der Name einer bestehenden Burg übertragen wurde, liegen hier keine verwandtschaftlichen Beziehungen zu Alt-Wülflingen vor. Einzige überlieferte Bewohner der Neuburg sind in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts die Meier von Oberwinterthur. Von der Burg sind nur spärliche Mauerreste erhalten. Über ihre Bauzeit und ihren Abgang ist nichts bekannt.
Der erhaltene Turm der Burg Alt-Wülflingen zeigt die gleichen sorgfältig bearbeiteten Bossenquader, wie wir sie von den Türmen zu Grüningen, Uster, Hegi und Alt-Regensberg her kenne. Auf der Nordseite liegt in neun Metern Höhe der mit einem gotischen Bogen überwölbte Eingang. Auffallend sorgfältig sind im Innern die in eine Spitze zulaufenden Fensterstütze und der Tuffsteinbogen des Hocheingangs bearbeitet. Von der gedeckten Laube vor dem Hocheingang und von der Aussentreppe, die auf halber Höhe zu einem Zwischenpodest führte, zeugen noch die Balkenlöcher. Der Turm wies vier bis fünf Stockwerke auf und schloss nach älteren Darstellungen mit einem Pultdach ab. Bei Seitenlängen von 7.4 Metern und Mauerndicken von 2 bis 2.5 Metern war er nicht allzu geräumig. Offenbar drängte sich daher schon bald ein Erweiterungsbau auf, den man an der Ostseite des Turms anfügte. Die erhaltenen Balkenlöcher markieren noch heute die Stockwerkeintelung des zerstörten Palas. In den beiden Obergeschossen wurden die Sandsteinbuckel der ehemaligen Aussenmauer weggespitzt und im zweiten Stock ein direkter Zugang zum Turm ausgebrochen. Dass man die mühselige Arbeit des Abspitzens möglichst auf die Wohnräume beschränkte, zeigt das unterste erkennbar Geschoss, das wohl als Keller diente. Von der Südostmauer des Palas sind noch aufgehende Reste erhalten. Nach Darstellungen des 17. und 18. Jahrhunderts umschloss den nordöstlichen teil des Burgplateaus eine Mauer, an die sich wohl Nebengebäude anfügten. Da aber der aufgefüllte Sodbrunnen ausserhalb dieses Bereichs liegt, könnte einst eine Palisade oder Ringmauer den ganzen Platz umschlossen haben.
Die Vermutung, dass an der Stelle des erhaltenen Turms bereits um die Mitte des 11. Jahrhunderts eine Wehranlage bestanden habe, stützt sich vorwiegend auf die Chroniken des Klosters Zwiefalten in Württenberg, die um das Jahr 1040 entstanden sind. Danach wohnte im 11. Jahrhundert Kuno von Achalm auf der Burg Wülflingen. Von seiner Grossmutter, Willebirg von Wülflingen, waren grosse Teile des Besitzes an ihn gekommen. Gemeinsam mit seinem Bruder Lütold, der auf der väterlichen Burg Achalm sass, stiftete Kuno das genannten Kloster. Er schenkte dem Gotteshaus unter anderem die Pfarrkirche und einen grossen Teil des Dorfes Buch. Die Erben Kunos fühlten sich aber betrogen und erwirkten, dass ihnen das Kloster den Hof Buch wieder zurückgab. Im 12. Jahrhundert verlieren sich Burg und Besitzer im dunkeln. Erst im 13. Jahrhundert wird die Herrschaft Wülflingen-Buch wieder fassbar. Sie lag schon vor dem Aussterben der Kyburger in den Händen der Grafen von Habsburg. Als die Habsburger nach 1264 das Kyburger Erbe antraten, behielten sie die Herrschaft Wülflingen-Buch in ihrer eigenen Hand und vereinigten sie nicht mit der Herrschaft Kyburg. Die kleine Herrschaft verfügten denn auch nicht nur über die niedere, sondern auch über die hohe Gerichtsbarkeit. Bis 1760, als Zürich das Blutgericht an sich zog, hatte der Inhaber der Herrschaft über Tod und Leben zu entscheiden.
Die Habsburger betrauten verschiedene Dienstleute mit der Burghut. In der Zeit um 1300 sassen dort die Herren von Hettlingen, später jene von Seen. 1376 sahen sich die Habsburger genötigt, die Herrschaft Wülflingen-Buch an Hartmann von Seen zu verpfänden. Er sollte damit für Kriegsdienste und Bauaufwendungen an der Burg entschädigt werden. Nach dem Tod Hartmanns in der Schlacht bei Sempach ging die Herrschaft an den Schwiegersohn, Ulrich von Landenberg-Greifensee, über. Dieser übergab den bisherigen Wohnsitz, Alt-Regensberg, seinem Sohn Martin und liess sich auf Wülflingen nieder. Kritische Zeiten brachen unter den Herren von Rümlang an, die durch Heirat mit einer Tochter Martins in den Besitz Wülflingens gelangt waren. Wegen Schulden und Betrügereien landete Hans Konrad von Rümlang in Zürcher Gefangenschaft und wurde später enthauptet. Die am meisten geschädigte Gemeinde Wülflingen hatte unterdessen Burg und Herrschaft an sich genommen. Ein Käufer fand sich in Hans Steiner. Der ehemalige Untermüller von Cham und Bürger der Stadt Zug hatte als Anhänger des neuen Glaubens seine Heimat verlassen und war bereits im Besitz der Herrschaft Pfungen. Er wurde 1528 von Zürich mit der Herrschaft Wülflingen-Buch belehnt. Offensichtlich hatte Österreich in der Zwischenzeit auf die Lehenshoheit verzichtet. Hans Steiner kaufte wenig später auch das aufgehobene Kloster Berrenberg, das 1355 auf dem Hügel zwischen Alt-Wülflingen und Pfungen vermutlich von den Habsburgern gegründet worden war. Dorthin zog er sich später zurück. Seine Nachkommen pflegten gute Beziehungen mit Winterthur, wo sie das Haus zum Steinberg bewohnten und sogar einen Schultheissen stellten. Als sie 1634 die Herrschaft Wülflingen an Winterthur verkaufen wollten, erhob Zürich Einspruch. Der Zürcher Junker Hans Hartmann Escher vom Luchs und dessen Schwägerin, Katharina Meiss von Teufen, waren genehme Käufer. Das alte Schloss entsprach aber den zeitgemässen Wohnbedürfnissen nicht mehr. Deshalb begann Escher 1644 mit dem Bau des neuen Schlosses bei Dorf Wülflingen und verliess die Burg. Diese diente noch einige Jahre als Wohnung, wurde aber im 18. Jahrhundert aufgegeben und zerfiel rasch. 1936 rettete die Stadt Winterthur wenigstens den Wohnturm vor dem Zerfall.
Das neue Schloss ging von den Escher an die Familie der Mitkäuferin von 1634, an die Meiss, über. Noch einmal gelang es Zürich, einen Verkauf der Herrschaft Wülflingen-Buch an Winterthur zu hintertreiben. Sie kam um 1720 an Salomon Hirzel, der mit Anna Margaretha Meiss verheiratet war. Seine reiche Pension, die er als ehemaliger General in holländischen Diensten bezog, erlaubte ihm, wie ein kleiner Fürst zu leben und Jagdhäuser im Hardwald und in Buch zu bauen. Das lockere Treiben seiner drei Söhne führte aber die Familie bald in den finanziellen Ruin. 1760 musste ein bedeutender Teil des Besitzes vergantet werden. Die Stadt Zürich zog darauf die hohe Gerichtsbarkeit an sich und übergab die niedere an den Landvogt von Andelfingen. Ruine und Bauhof aber kamen zu diesem Zeitpunkt an die Stadt Winterthur.
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