Autres vues aériennes de Burgdorf
Als « eine der wenigen grossen Hochadelsburgen der Stauferzeit, die alle wesentlichen Teile aus ihrer Hauptbauzeit bewahrt hat », bezeichnet der Kunsthistoriker und Inventarisator der Bernischen Baudenkmäler, Jürg Schweizer, das Schloss Burgdorf.
Jedem, er es auch nur im Vorbeifahren vom Schnellzug aus erblickt, sticht die beherrschende Stellung seiner Anlage ins Auge. Eindruck macht ihm aber auch, ohne dass er im Einzelnen den Gründen dafür nachgehen mag, das konstruktiv geschickt und zugleich harmonisch wirkende Zusammenspiel seiner wichtigsten Baukörper.
Als solche präsentieren sich vor allen Dingen die beiden mächtigen Hochbauten: der 33 Meter hohe, im Grundriss quadratische, 8.5 Meter Seitenlänge messende Bergfried, das heisst der mittelalterliche Hauptwehrturm, und der um weniges niedrigere, mit seinen 9.35 auf 20.8 Meter einen gewaltigen, rechteckigen Kubus bildende Palas oder grosse Turm, wie man ihn ursprünglich nannte. Zu ihnen gesellt sich, neben Teilen der Wehrmauer und einem wuchtigen, den westlichen Abschluss bildenden Torturm, das sich an der Südfront der Burg in rechtem Winkel an den Palas anfügende Gebäude der so genannten Schultheissenwohnung. Es bot ursprünglich einer grossen, feudalen Halle Raum, diente später, wie sein Name besagt, dem Schultheissen als Wohnung und nahm im 19. Jahrhundert das Statthalter- und Richteramt auf.
Burgdorf (Mérian XVIIe siècle)
Die Geschichte des Schlosses ist rasch dargelegt. Der das Tal der Emme quer abriegelnde, runde 50 Meter über seinem Schwemmboden aufragende Felskopf aus Molasse und der sich westlich an ihn lehnende Moränenhügel des Gsteig waren für eine Befestigungsanlage vorgezeichnet. Die schöne, vom Chronisten Justinger vermittelte Sage der Brüder Syntram und Baltram, die im Frühmittelalter an der Felswand einen Drachen erschlagen und damit eine Siedlung auf der Höhe ermöglicht hätten, ist mit ähnlichen Legenden von anderen Örtlichkeiten verwandt. Ein anderer Chronikhinweis leuchtet eher ein: die Erwähnung der missglückten Belagerung einer « burgundischen », von zähringischen Truppen gehaltenen Burg durch Leute des Kaisers während des Investiturstreits 1084. Dies wäre die erste Nachricht vom Bestehen der Festung. Dass Herzog Berchtold von Rheinfelden, dem Burgdorf damals gehörte, dabei mit Namen genannt wird, spricht für sie.
Die Zugbrücke und das Mechanismus
Wahrscheinlich verdankt man den Zähringern, als Erben der Rheinfelder, schon Bauten des frühern 12. Jahrhunderts. Von diesen hat sich der Abschnitt der Wehrmauer vom Bergfried zum Torturm bis heute erhalten. Auf die ältere Anlage deutet der Name des « alten Markts » der eine unüberbaute, ansehnliche Fläche zwischen Schloss und Oberstadt einnimmt und wohl ersten Marktanlässen wie auch ritterlichen Turnieren diente. Um etwa 1200 gestalteten die Zähringer vermutlich die Burg neu und gründeten gleichzeitig die ihrer vorgelagerte Oberstadt mit der Kirche. 1218 fiel die Siedlung den Kyburgern anheim. 1273 übernahmen sie die Grafen von Neu-Kyburg als eines der Zentren ihres Territoriums. Sie erweiterten sie bald danach um die am Nordfuss des Kirchhügels errichtete Unterstadt.
Nach Kriegswirren, die sie zwar noch überstanden, sahen sich die adligen Herren gut 100 Jahre später, 1384, der Mittel beraubt.
Der Stadt Bern gelang der Ankauf von Burgdorf, zugleich mit jenem von Thun. Da die Burgdorfer sich schon 1273 in einer so genannten Handfeste von den Grafen bedeutsame Rechte hatten erwahren und neu erwerben können, welche Bern anerkannte, blieben sie gegenüber anderen Bernischen Untertanengebieten freilich privilegiert, was sich auf manche Einzelheit der künftigen Entwicklung , zum Beispiel das Aufblühen von Gewerbe und Handel, auswirkte. Auch war Burgdorf unter Bern nie einer Landvogtei eingegliedert. Für das umgebende Land führte ein Amtmann die Geschäfte, dem der Titel « Schultheiss » zukam. Das Schloss diente seit dem Ende des 14. Jahrhunderts bis in die Gegenwart als Amtssitz, mit Ausnahme weiniger Jahre der Umbruchszeit (1798-1804), während welcher es das Erziehungsinstitut Heinrich Pestalozzis aufnahm.
Auch äusserlich lässt sich aus den drei repräsentativen Burgteilen der Frühzeit Bergfried, Palas und Schultheissenhaus eine gewisse Verwandtschaft ablesen. Sie erscheint umso prägnanter, als das gleiche Material, nämlich Backstein, zum bau verwendet worden ist. Das Kloster St. Urban stellte in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts kunstgeschichtlich berühmt gewordenen Backstein her, W. Meyer schreibt wohl deshalb die Erbauung der beiden Burgdorfer Schlosstürme erst der kyburgischen und neukyburgischen Herrschaft zu. Indessen sprechen zahlreiche Indizien für eine Errichtung ungefähr um 1200, also unter Herzog Berchtold V von Zähringen. Untersuchungen von eichen- und Tannenbalken lassen den Schluss zu, dass das Holz in dieser Periode eingebaut wurde. Die Erforschung der Steinbearbeitung am Palas führte zum gleichen Resultat. Zudem erlangte Burgdorf im Lauf der Auseinandersetzung der Zähringer Herzöge mit den savoyischen Adligen um etwa 1190 erhöhte Bedeutung. Als einer der wichtigsten Belege aber darf das erste Burdorfer Stadtsiegel von 1257 gelten, das das Bestehen der beiden Türme nachweist. Ob vor 1257 Backstein aus St. Urban in benötigter menge schon erzeugt oder allenfalls früher in einer lokalen Werkstatt hergestellt wurde, steht noch nicht fest.
Die von J. Schweize erarbeitete Baugeschichte ordnet die einzelnen baulichen Unternehmungen in ein ganzes. Die annährend ein richtwinkliges Dreieck bildende, 130 Meter lange und im Maximum 50 Meter breite, im Westen von der gast gleich grossen Vorburg begrenzte Hauptburg sah in der kyburgischen Epoche die nördliche Schildmauer mit zwei Halbrundtürmen und einem noch gut fassbaren, wieder freigelegten gotischen Toreingang erstehen. Im Palas wurde die Kapelle neu eingerichtet, deren Rundfenster neben einem Tr4ueppenturm des 16./17. Jahrhunderts in den Schlosshof blickt. In der Ära des Alten Bern machte man die zähringische Halle zu einem Bestandteil der Schultheissenwohnung. Aus dem 18. Jahrhundert stammen ein stattliches, später zum Amtsgebäude umgestaltetes Kornhaus sowie der Verbindungstrakt zwischen den beiden Türmen. Das Gesicht der Vorburg wird nicht zuletzt vom festen Torturm geprägt, der um 1560 als Zeugnis neuer Verteidigungstechnik ein älteres Bauwerk ablöste.
Neben dem längst bekannten, einst überdachten Sodbrunnen, der in der Vorburg 48 Meter tief aus dem Sandstein gehauen worden war, hat man in jüngster Zeit einen zweiten Wassersammler und -spender dieser Art entdeckt, mitten im schroffen, felsigen Südwesthang der Burg, in überraschen merkwürdiger Lage. Man vermutet in ihm die ältere Brunnenanlage. Der nur 25 Meter tiefe Bau auf halber Höhe des Felsens sparte den Werkleuten mühseligen Gesteinsausbruch und führte mit seiner exzentrischen Anlage wohl ebenso zu wasserhaltigen Schichte. Den Nachteil langer Tragdistanzen und fehlenden Schutzes nahm man offenbar in Kauf.
Der Brunnen wurde im Verlauf umfangreicher Arbeiten aufgedeckt, die zwischen 1974 und 1981 zur Sicherung absturzbedrohter Parteien des Schlossfelsens und der Burgmauer vorgenommen werden mussten. Die Sanierung bedingte das entfernen eines dichten Bewuchses von Sträuchern und Bäumen, der das Erscheinungsbild des Schlosses von Südwesten her prägte. Man weiss, dass solcher Pflanzenwuchs bis zum Bauernkrieg (1653), wahrscheinlich sogar bis ins 18. Jahrhundert regelmässig entfernt wurde, weil er dem Sinn und Zweck der Festung widersprach. Inzwischen hat freilich, aus geschickt angebrachten Erdtaschen und Pflanzentrögen, bereits neue Vegetation zu spriessen begonnen. Im Zusammenhang mit der Felssanierung ist der so genannte « Armsünderweg » wieder hergestellt wurde, eine von der Passage durch die Stadt unabhängige Verbindung zum und vom Schloss. Seinen Namen hat dieser Weg erhalten, weil einst zur Hinrichtung verurteilte Übeltäter von der Burg auf ihm direkt zum Richtplatz geführt wurden.
Die genannten Arbeiten haben, was bauhistorisch besonders wichtig erschien, die Südfassade der « Schultheissenwohnung », des jetzigen Richteramtes, freizulegen und sorgfältig zu untersuchen erlaubt. Die Annahme, dass es sich bei diesem Bauteil ursprünglich um eine in grossartigem Dispositiv angelegte Halle der Zähringerburg handelte, hat sich bestätigt. Die Reste des spätromanischen Gebäudes von etwa 1200 und der unter den Kyburgern im 13. Jahrhundert entstandenen Architektur konnten zeichnerisch rekonstruiert, die Halle als in der Schweiz fast einzig dastehendes Zeugnis fürstlicher Repräsentation gedeutet werden.
Gleichzeitig ist eine weitere interessante Feststellung geglückt: der Backstein des Palas war nicht unmittelbar auf dem Molassefelsen, sondern auf einem soliden, in diesen eingetieften Fundament aus Solothurner Jurakalk aufgemauert worden. Über den Kalkstein kam zudem eine Zwischenschicht aus Tuff zu liegen, welche allenfalls aufsteigende Feuchtigkeit austreten liess.
Die jüngste Entdeckung betrifft die Brücke über den Burggraben beim grossen Torturm. Sie wurde 1581 erneuert. Es hat sich gezeigt, dass der in einer Schuttauffüllung des 19. Jahrhunderts steckende Brückenbogen aus Tuff völlig intakt geblieben ist und dass er (und nicht die Deponie) die Fahrbahn mit all ihren Lasten selbst schweren Camions! - zu tragen vermochte. Er ist nun freigelegt und repariert, und zugleich ist auch der Burggraben eine technische Meisterleistung des Mittelalters wiederhergestellt worden.
Den Besucher des Schlosses fesseln besonders die vom inneren Hof aus zugänglichen zentralen und ältesten Teile. Der Hauptwehrturm, der Bergfried, war nie bewohnt. Sein ehemaliger Zugang, hoch an der Südostecke, ist bloss von innen, vom Estrich des Zwischentraktes her, noch als gemauerter Torbogen zu erkennen. Ein neuerer Durchbruch führt heute in den Turm hinein. In dessen Geschossen und im anschliessenden Nordtrakt sowie in den oberen Stockwerken des Palas sind die interessanten historischen und heimatkundlichen Sammlungen des Burgdorfer Rittersaalvereins ausgestellt. Der Palas, die imposante, einem normannisch-französischen « Donjon » vergleichbare Wohnung, zeigt seit seiner Restaurierung (1972/3) bemerkenswerte Einzelheiten der originalen Backsteinstruktur und seines in romanischem Stil gehaltenen Aufbaus. Im zweiten Stock sind der Rittersaal und die mit sehr schönen Wandmalereien aus dem 14. Jahrhundert ausgestattete Burgkapelle sehenswert.
Home | châteaux du canton | châteaux suisses
©Les châteaux suisses. Die Schweizer Schlösser. The Swiss Castles